CarolBrass 5000L YLT – die (Very-)Low-Budget-Leadtrompete

Eine neue Trompete, die sich mit dem Präfix „Profi-“ schmückt und sich dabei im mittleren dreistelligen Preisbereich (wohlgemerkt in Euro!) bewegt? Geht das? Der taiwanesische Hersteller CarolBrass behauptet das zumindest. TrumpetScout geht dieser kühnen Behauptung gewissenhaft nach.

CarolBrass klingt – hier muss man ehrlich sein – zunächst wie ein asiatischer Hersteller, der verhehlen möchte, dass er ein solcher ist, aber zu sparsam war, um einer PR-Agentur gegen saftige Beratungshonorare einen besseren Namen abzuringen. Hoxon Gakki wäre zwar ehrlicher gewesen, aber besser vielleicht auch nicht. So heißt nämlich die Firma, die hinter der Marke CarolBrass steht – und hinter vielen anderen Instrumenten, die unter völlig anderer Flagge auf den Markt kommen. Denn seit der Gründung 1989 produzierte das Unternehmen zunächst für andere, teile namhafte Firmen. Erst 2011 entschloss man sich dazu, das Geisterdasein hinter sich zu lassen und selbst den Markt der etablierten zu erobern. Eben unter dem Namen CarolBrass.

CarolBrass: einfache Trompete mit komplizierten Bezeichnungen

Durch Kollegen, die seit einiger Zeit CarolBrass spielen und extrem begeistert sind, wurde ich ernsthaft aufmerksam, habe einige Modelle der 5000er-Serie probieren können und mich dann dazu entschlossen, meinen Favoriten genauer zu inspizieren: die 5000L YLT.

TrumpetScout_CarolBrass_5000L YLT_1
Die reversed-Bauweise erinnert an Schilke, die etwas weitere Windung und der sehr große Becher an eine Flip Oakes Wild Thing.

Wofür das lose Konglomerat aus Ziffern und Lettern steht? Ja, noch unverständlicher als die Webseite von CarolBrass ist tatsächlich die Namensgebung. Ich habe versucht, zumindest die Nomenklatur der 5000er-Trompeten zu entschlüsseln.
Der Fünfer vor den drei folgenden drei Ziffern klassifiziert bei CarolBrass als Standard-Profiserie. Bleibt man beim Standard, folgen drei Nullen.

Bis auf ein (Heavy-)Modell haben alle zunächst ein L hinter der Zahl, das wohl für light steht und damit einen Standard für die Serie setzt. Wodurch sich das H-Modell konkret absetzt, ist unscharf zu erkennen: augenscheinlich ist es das einzige mit normalem Stimmzug, der auch noch zwei Stützen hat..

Y steht für Messing als Bechermaterial und zwar sehr helles, richtiggehend gelbes. G bezeichnet das Goldmessing-Pendant.

L steht für large und meint den Becher, der einem 72er von Bach entspricht. Es gibt noch den kleinen, der wie der 37er geformt sein soll, es heißt dann S (small) in der Mitte.

T bedeutet, das Bechermaterial ist thin, das Schallstück besteht also aus dünnerem Blech. S dagegen meint offensichtlich standard.

Das Testmodell ist also ein Trompete mit leichtem und zugleich großem Messingschallstück und ist reversed konstruiert.

Mit großem Becher und rundem Stimmzug ein Ansprachewunder

Als erste Spielberichte von Kollegen zum TrumpetScout durchdrangen, wurde im Kopf bereits die Trompete konfiguriert, welche wohl am besten zum eigenen Spiel passen würde: ML-Bohrung, kleiner Becher, standard- oder leichtgewichtet und mit eckigem Stimmzug. Ein eher großer Widerstand sollte das Spielen in der Höhe erleichtern, ein kleiner Becher für eine gute Projektion sorgen.

Alle Überlegungen waren aber für die Katz‘! Am besten gefiel mir die Kombination aus LL-Becher (leicht und groß) mit rundem Stimmzug. Die L-Bohrung habe ich nicht probiert, der Wunsch danach blieb aber auch aus.

TrumpetScout_CarolBrass 5000L YLT_Stimmzug
Gehören zum Lieferumfang: zwei Stimmzüge, einmal in D-Form (mit deutlich mehr Widerstand) und einmal in (verkehrter) C-Form für ein offeneres Blasgefühl.

Erstaunt hat dabei die extrem gute Ansprache, durch alle Register. Oft ist es so, dass eine weite Trompete das Spiel im Pianissimo und in der unteren Lage deutlich verbessert – die Töne lassen sich leichter erzeugen. Unter Druck ist das System aber überfordert. Entweder reicht der Widerstand für das hohe Register nicht oder Lautstärke kostet enorm viel Kraft. (Es wird klar, vom Chris Botti z.B. die Large Bore-Martins bevorzugt.) Hier scheint das Gesamtkonzept der Trompete mehr als einen guten Kompromiss hervorzubringen. Die 5000L YLT spricht sehr gut an und bläst sich wie eine weite Jazztrompete bei Chet Baker-Herangehensweise, ist aber für die Leadstimme nicht zu offen – oder durchsetzungsschwach. Das A3-Problem haben die taiwanesischen Instrumentenbauer nicht zur vollsten Zufriedenheit gelöst. Der Ton bleibt umkämpft. Das Einrasten der Töne verbessert sich aber noch einmal merklich – natürlich auf Kosten der Ansprache -, sobald der eckige Stimmzug eingeschoben wird. Der höhere Widerstand gibt mehr Sicherheit jenseits der Notenlinien und der erzeugte Klang gewinnt spürbar an Penetranz.

Die 5000L YLT ist wie echter Sportwagen – tritt man das Gaspedal, kommt das Heck

Kommen wir nun endgültig zum Klang. Verschiedene Varianten haben im Sound natürlich verschiedene Ergebnisse erzielt. Selbst hört man die anders. Schielt man mit einem AUge auch noch auf die Projektion, ist man vielleicht geneigt, abgesehen vom Widerstand, doch den kleinen Becher zu wählen oder zumindest das (noch) günstigere normalgewichtige Modell. Am meisten überzeugt hat die Kollegen aber eben das leichte große. Es verfügt über eine Helligkeit, die dadurch der ersten Stimme über die Band verhilft – nicht durch schieren Schalldruck, sondern über die Frequenz. Das macht diese Trompete auch zu einem Lead-Modell. Sie wird extrem hell und klar, wenn man das Volumen erhöht oder das Notensystem nach oben hin verlässt. Dieser Wandel erfolgt nicht linear sondern plötzlich und es ist eigentlich egal, welches Mundstück man dabei einsetzt. Die 5000L YLT ist wie ein Sportwagen vom alten Schlag. Gibt man ein bisschen Gas, wird’s gleich gefährlich. Das verwendete Messing scheint hauptverantwortlich dafür zu sein. Ob es schon früh seinem größten Feind, dem Zinkfraß anheim fällt, kann nur ein Dauertest zeigen.

CarolBrass sorgt für gute Stimmung – bei dem Preis nicht zu erwarten

Ein wichtiges Kriterium für jedes Instrument ist die Stimmung. Die überrascht hier besonders, und zwar positiv. Zwischen E1 mit der Griffkombination 1-2 und 3 ist kaum ein Unterschied zu hören, auch der Normalgriff, mit dem in der Regel zu hoch gespielt wird, ist gut einsetzbar und auch das D2 mit 1 ist nur minimal zu tief. Getestet wurde mit verschiedenen Mundstücken: mit dem mitgelieferten CB 3C, einem Bach 3C und einem Warburton 7ESV mit zwei Stengeln (7 und 8). Gerade die durch die Mundstücke wahrscheinlich unterschiedliche Gap hätte die Stimmung empfindlich stören können – tat es aber nicht. Lediglich das beigelegte Mundstück erzeugte beim nicht unwichtigen C1 störende Wassergeräusche. Es ist somit eigentlich nicht zu verwenden, wenn es auch aufgrund der scharfen Rands und damit engen Kesseleindrucks der TrumpetScout-Vorliebe entspricht. Auf Schienen spielt man so ein leichtes Instrument natürlich nicht. Erstens will man aber in der Popularmusik eine gewisse Flexibilität und zweitens sind zentrierte Töne nach einer Gewöhnungsphase und mit guten Ohren sicher machbar.

Stahlventile – bislang ein Verkaufsargument deutscher Hersteller

Anscheinend hat man die CarolBrass-Trompeten mit Stahlventilen ausgerüstet. Die gehen zwar etwas schwerer als eingeschliffene Monelpumpen, sind aber unverwüstlich. Es bleibt die Hoffnung, dass sie mit der Zeit trotzdem noch schneller werden. Gegen Wechselführungen aus Messing wäre nichts einzuwenden gewesen, sie haben großen Einfluss auf die Projektion, aber bei diesem sowieso schon üppigen Lieferumfang sollte man sich nicht beschweren. Beschweren ist das Stichwort. Aufgefallen sind leicht stärkere untere Ventildeckel. Zwar noch lange keine Heavy Caps, aber doch mit Wirkung. Sie helfen der sehr leichten Trompete wohl dabei, den Spagat zwischen Leichtigkeit, Kern und akzeptablem Slotting zu schaffen.

TrumpetScout_Carol Brass 5000L YLT_2
Schwere Ventildeckel sind wohl nötig, um die Trompete nicht abheben zu lassen.

Die 5000er-Serie ist auch mit großer Bohrung zu bekommen. Da nicht viel auf Halde produziert wird, sondern on demand, sind auch Sonderwünsche ohne großen Aufpreis möglich. Wer bietet das schon zu diesem Preis? Ein „Sondermodell von der Stange“ ist übrigens die YLT mit Klavierlack, die wohlklingend Blackhawk getauft wurde und ihrem Namen gerecht wird: eine sehr satt klingende Alternative.

Das Preis-/Leistungsverhältnis – sicher unerreicht, aber nicht die Domäne von CarolBrass

Das getestete Modell kostet netto 495 Euro. Inklusive Versand innerhalb Europas. Ausrufezeichen. Fett. Dazu gibt es nicht nur die Trompete, sondern ein stabiles und hübsches Case mit allerlei Gurten und einem auch verwendbaren Notenfach, ein Mundstück, zwei Stimmzüge, Wechselfedern, Wechseldrückern (Messing und Perlmutt), Öl, Fett, Poliertuch und Reinigungsgestänge. Wurde etwas vergessen? Egal. Man bekommt sehr viel für sehr wenig.



Das eingangs in Frage gestellte „Profi-“ kann man reinen Gewissens stehen lassen, nicht nur „gut in Anbetracht des Preises“. Die geteste Trompete mag vielen zu hell sein, CarolBrass bietet aber sehr viele Varianten. Einige davon sind sogar noch günstiger (Einstieg bei circa 495 EUR brutto). Viel falsch machen kann man da nicht.

 

[table caption=“TrumpetScout dares an educated guess“ width=“900″ colwidth=“400|900″ colalign=“left|left|center|left|right“]
What is she offering?,“LT large brassbell, ML/L-bore, 2 Tuningslides “

Your new girl friend?,“Günstige Freundin mit inneren Werten.“

Preis?,600 Euro. Da muss man nicht lange überlegen!
Dauerbeziehung?,“Noch hoher Wertverlust. Affordable risk!
[/table]